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Donnerstag, 27. Juli 2006
Für die, die vom Stalinismus schwafeln
cut, 11:41h
Unter dem Eindruck der Erfahrungen, die Leo Kofler 1947 bis Ende 1950 in der DDR mit der repressiven Praxis der stalinistischen Partei- und Staatsbürokratie gesammelt hatte, vertieft und systematisiert er seine scharfe Unterscheidung zwischen einem dogmatisch-unhumanistischen und einem undogmatisch-schöpferischen und humanistischen Marxismus, die er nach eigenem Bekunden bereits lange vor Kriegsende entwickelt und dann während seines DDR-Aufenthaltes gegenüber der SED-Bürokratie hartnäckig verteidigt hatte. „Die stalinistische Theorie mit Hilfe marxistischer Waffen zu kritisieren“ sieht er fortan als „ein Hauptanliegen unserer Zeit“ an (Kofler 1951/MosM, S.5).
Indem die stalinistische Herrschaftspraxis sich als „Verbürokratisierung des gesamten gesellschaftlichen Lebens“ realisiert, hat sie das Ziel des Sozialismus als Form freier Selbstvergesellschaftung der Menschen in sein genaues Gegenteil verkehrt. An Stelle des ersehnten „Vereins freier Menschen“ ist eine die gesellschaftlichen Individuen entsubjektivierende Diktatur getreten, in deren Rahmen, so Kofler, „ein zur Gewohnheit gewordenes Streben zur Unterwerfung unter eine von oben genauestens vorgeschriebene ‚Linie‘ in Meinung, Auffassung, Lebensgestaltung Platz gegriffen (hat). Ein feiges Duckmäusertum und Strebertum, ein devotes Dienstverhältnis zur ‚Partei‘, die von unten bis oben von der bürokratischen Entseelung durchdrungen ist, und die sich mit Hilfe einer ‚Theorie‘ zu rechtfertigen versucht, deren Wesen in nichts anderem besteht als in einer Skala zu Dogmen erstarrter Formeln vulgärst-materialistischer Prägung“ (ebenda, S.10f.).
Die der stalinistischen Bürokratie wesensmäßig eingeschriebene Transformation des Marxismus in eine verfälschende Legitimationsideologie beinhaltet notwendigerweise das „Übersehen“ und „Vergessen“ des humanistischen und ethischen Gehalts der wissenschaftlichen Theorie von Marx und Engels. Demgegenüber betont Kofler, daß Marx und Engels die (früh-)bürgerlich-humanistische Idee des „schönen“ Menschen, der selbstbewußt seine schöpferischen Anlagen und Kräfte in einem harmonischen „Spiel“ zur Geltung bringt, nicht etwa verworfen, sondern in ihrer Konzeption der „menschlichen Emanzipation“ dialektisch aufgehoben hätten. Der Nachweis, daß innerhalb der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft strukturell unüberwindbare Hindernisse für die Realisierung der bürgerlich-humanistischen Ideale angelegt sind, führt folgerichtig zum Begreifen der Not-Wendigkeit des Sozialismus. In dieser revolutionär-humanistischen Perspektive ist aber die bloße Lösung der Eigentumsfrage nicht Endzweck, wie der „rohe Kommunismus“ nahelegt, sondern conditio sine qua non für die freie Selbstvergesellschaftung und Selbstverwirklichung der Individuen. D.h. das Ziel des Sozialismus ist nicht vordergründig auf sozialökonomische Besserstellung/Besserversorgung zu reduzieren, sondern sein real-humanistisches Anliegen besteht darin, „durch Lösung des den Menschen knechtenden, d.h. ihn rein materiellen Kräften unterwerfenden und ihn damit entmenschlichenden Eigentumsproblems ihn von der beherrschenden Gewalt des Eigentums überhaupt zu befreien, damit gleichsam zu entmaterialisieren und zu vermenschlichen“ (ebenda, S.16). In der stalinistischen Ideologie wird dieser real-humanistische Kern des marxistischen Sozialismusbegriffs durch einen flachen Ökonomismus ersetzt, der die Frage der materiellen Bedürfnisbefriedigung zur alles beherrschenden verabsolutiert und im Sinne eines geistlosen Praktizismus jedwede Betonung des individuellen Freiheitsstrebens sowie der ideellen, moralischen und demokratischen Neigungen der Menschen entweder fehlinterpretiert, entwichtigt oder als „idealistisch“ und „konterrevolutionär“ diffamiert. Folgerichtig sind aus dem stalinistischen Vulgärmaterialismus alle Spuren der Marxschen Lehre von der Wiederherstellung der menschlichen Totalität sowie der unendlichen Entwicklungsfähigkeit der menschlichen Persönlichkeit getilgt.
Nach: Hartmut Krauss
Dialektische Totalität und kritischer Humanismus
Leo Koflers Beitrag zu einem subjektwissenschaftlich fundierten Marxismus. Der ganze Beitrag findet sich hier.
Indem die stalinistische Herrschaftspraxis sich als „Verbürokratisierung des gesamten gesellschaftlichen Lebens“ realisiert, hat sie das Ziel des Sozialismus als Form freier Selbstvergesellschaftung der Menschen in sein genaues Gegenteil verkehrt. An Stelle des ersehnten „Vereins freier Menschen“ ist eine die gesellschaftlichen Individuen entsubjektivierende Diktatur getreten, in deren Rahmen, so Kofler, „ein zur Gewohnheit gewordenes Streben zur Unterwerfung unter eine von oben genauestens vorgeschriebene ‚Linie‘ in Meinung, Auffassung, Lebensgestaltung Platz gegriffen (hat). Ein feiges Duckmäusertum und Strebertum, ein devotes Dienstverhältnis zur ‚Partei‘, die von unten bis oben von der bürokratischen Entseelung durchdrungen ist, und die sich mit Hilfe einer ‚Theorie‘ zu rechtfertigen versucht, deren Wesen in nichts anderem besteht als in einer Skala zu Dogmen erstarrter Formeln vulgärst-materialistischer Prägung“ (ebenda, S.10f.).
Die der stalinistischen Bürokratie wesensmäßig eingeschriebene Transformation des Marxismus in eine verfälschende Legitimationsideologie beinhaltet notwendigerweise das „Übersehen“ und „Vergessen“ des humanistischen und ethischen Gehalts der wissenschaftlichen Theorie von Marx und Engels. Demgegenüber betont Kofler, daß Marx und Engels die (früh-)bürgerlich-humanistische Idee des „schönen“ Menschen, der selbstbewußt seine schöpferischen Anlagen und Kräfte in einem harmonischen „Spiel“ zur Geltung bringt, nicht etwa verworfen, sondern in ihrer Konzeption der „menschlichen Emanzipation“ dialektisch aufgehoben hätten. Der Nachweis, daß innerhalb der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft strukturell unüberwindbare Hindernisse für die Realisierung der bürgerlich-humanistischen Ideale angelegt sind, führt folgerichtig zum Begreifen der Not-Wendigkeit des Sozialismus. In dieser revolutionär-humanistischen Perspektive ist aber die bloße Lösung der Eigentumsfrage nicht Endzweck, wie der „rohe Kommunismus“ nahelegt, sondern conditio sine qua non für die freie Selbstvergesellschaftung und Selbstverwirklichung der Individuen. D.h. das Ziel des Sozialismus ist nicht vordergründig auf sozialökonomische Besserstellung/Besserversorgung zu reduzieren, sondern sein real-humanistisches Anliegen besteht darin, „durch Lösung des den Menschen knechtenden, d.h. ihn rein materiellen Kräften unterwerfenden und ihn damit entmenschlichenden Eigentumsproblems ihn von der beherrschenden Gewalt des Eigentums überhaupt zu befreien, damit gleichsam zu entmaterialisieren und zu vermenschlichen“ (ebenda, S.16). In der stalinistischen Ideologie wird dieser real-humanistische Kern des marxistischen Sozialismusbegriffs durch einen flachen Ökonomismus ersetzt, der die Frage der materiellen Bedürfnisbefriedigung zur alles beherrschenden verabsolutiert und im Sinne eines geistlosen Praktizismus jedwede Betonung des individuellen Freiheitsstrebens sowie der ideellen, moralischen und demokratischen Neigungen der Menschen entweder fehlinterpretiert, entwichtigt oder als „idealistisch“ und „konterrevolutionär“ diffamiert. Folgerichtig sind aus dem stalinistischen Vulgärmaterialismus alle Spuren der Marxschen Lehre von der Wiederherstellung der menschlichen Totalität sowie der unendlichen Entwicklungsfähigkeit der menschlichen Persönlichkeit getilgt.
Nach: Hartmut Krauss
Dialektische Totalität und kritischer Humanismus
Leo Koflers Beitrag zu einem subjektwissenschaftlich fundierten Marxismus. Der ganze Beitrag findet sich hier.
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