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Freitag, 29. August 2008
In der Straßenbahn: III
cut, 01:51h
Straßenbahngleis
In der Straßenbahn kann man was erleben. Man muss nur oft genug damit fahren. So auch heute. Genau genommen war es diesmal allerdings die U-Bahn. Aber egal. Das spielt jetzt keine Rolle. ÖPNV ist ÖPNV.
Also.
Vier Jugendliche unterhalten sich über die anstehende Wahl zum Oberbürgermeister:
" ... Du darfst jetzt ja auch wählen ... Na du doch auch ... Wen wählst du denn? ... Ist doch egal ... Der hat doch eh nichts zu sagen ... Dann wähl doch Zentrum ... Die Werbung von der Kortmann ist ja wirklich bescheuert ... Die vom Elbers ist aber auch nicht besser ... Ich wähl nicht ..."
So geht es eine Weile hin und her. Ganz unspektakulär.
Aber dann wird es interessant. Ein alter Mann mischt sich ein. Sehr alt ist der sogar. Ganz sicher weit jenseits der 80. Mit einem ziemlich ausgeprägten Dialekt. Ostpreußen würde ich sagen. Was auch ganz falsch sein kann. Aber so stell ich mir die von da halt vor. Dieser alte Mann ergreift jetzt also das Wort:
"Junger Mann, entschuldigen sie bitte, dass ich mich einmische."
So beginnt er. Die vier jungen Männer schauen ihn an. Sie befürchten wohl dasselbe wie ich. Dass bei Adolf doch nicht alles schlecht war und so. Aber Irrtum:
"Gegen Demokraten helfen nur Soldaten! Wer hat das gesagt? Wissen sie das?"
Schulterzucken bei dem angesprochenen jungen Mann.
"Friedrich Wilhelm IV. von Preußen", fährt er fort.
Oha, jetzt folgt sicher eine pädagogische Lehrstunde über die Vorzüge der Demokratie und die Segnungen des allgemeinen Wahlrechts. Dachte ich mir da. Aber wieder daneben. Es folgte ein Plädoyer. Ein Plädoyer für die beste Staatsform von allen. Für die Monarchie.
Erst dachte ich an einen Scherz. Dem war aber nicht so. Die Sache war ihm ganz ernst:
"Glücklich, wer noch seinen König hat!"
Die weitere Argumentationslinie verlief dann ungefähr so: Bei der Aristokratie, dem König oder dem Kaiser, handele es sich um eine Elite. Von Gott zur Herrschaft bestimmt. Und ihrerseits auch nur diesem zur Rechenschaft verpflichtet. Das hätte schon Platon gewusst. Nichts ginge bei dem ja über die Herrschaft der Besten. Ein Drittel der Länder dieser Welt seien auch heute noch Monarchien. Das hätten sie wohl nicht gewusst. Und da lief es schon besser als hier. Obwohl so eine konstitutionelle Monarchie ja leider auch sehr viele Nachteile hätte. Überhaupt. Die Demokratie. Was sei das denn schon. Ein einziger ungewaschener Haufen. Wer hätte von denen da draußen denn schon Abitur. Dummheit, wohin man auch blicke. Und das ungebildete Gesocks dürfe dann auch noch zur Wahl. So könne die Sache ja nicht funktionieren. Und sozial sei die Monarchie auch. Er sage nur Bismarck ...
"Mit Gott für König und Vaterland!"
Irgendwie so beendete er seinen Vortrag. Und dann musste ich leider raus. Die vier jungen Männer auch. Der alte Mann fuhr noch weiter.
Dies ist eine Fortsetzung von „In der Straßenbahn: II".
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