Über die Freiheit
Von:
Leo Kofler
„Man mache sich nichts vor: Es gibt keine gesellschaftliche Freiheit ohne Freiheit für das Individuum, das nach Selbstbestimmung und Unabhängigkeit strebt und das, solange es menschliche Geschichte gibt, unter Freiheit die möglichste Freiheit von allen Schranken und Bindungen verstanden hat, versteht und verstehen wird. Im Vergleich zu den vorangegangenen Gesellschaftsepochen stellt die bürgerliche Gesellschaft innerhalb der Klassengeschichte die letzte und höchste Form der Freiheit dar. Aber es ist ein Irrtum der bürgerlichen Ideologie, diese Form der Freiheit mit der absoluten Freiheit gleichzusetzen. Denn die bürgerliche Freiheit, die dem Individuum in weitgehendem Maße freie Bewegung gewährt, stellt gleichzeitig eine Form dar, die eine solche Freiheit nur vortäuscht, indem sie unter dem Schein der Freiheit die Weiterexistenz starker freiheitsbeschränkender Bindungen, d.h. wesentlicher Elemente der Unfreiheit, nicht bloß zuläßt, sondern geradezu voraussetzt. Der Widerspruchscharakter der bürgerlichen Freiheit ist Ausdruck des Widerspruchscharakters der bürgerlichen Klassengesellschaft überhaupt. Er liegt begründet in der Tatsache, daß einerseits in der bürgerlichen Gesellschaft das Individuum - jedes Individuum - als völlig autonomer und gleichberechtigter Warenbesitzer (Besitzer von Schuhen, geistigen Produkten oder von Arbeitskraft) und damit als völlig autonomer und gleichberechtigter Vertragspartner erscheint, andererseits aber der einseitige, d.h. ganze Klassen ausschließende Besitz an den Produktionsmitteln gleichzeitig diese Autonomie und Gleichberechtigung der Individuen aufhebt. Der durch diese Tatsache ausgedrückte Widerspruch ist der Widerspruch zwischen dem bloß rechtlichen (formalen) und dem auf der Besitzverteilung beruhenden faktischen (sozialen) Zustand in der bürgerlichen Gesellschaft.“
Mehr als nur ein Plädoyer.
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