Montag, 6. Januar 2014
Evangelii gaudium
cut, 16:00h
So, habe den Text von Papst Franziskus endlich gelesen. Das Apostolische Schreiben "Evangelii gaudium" über die Verkündigung des Evangeliums in der Welt von heute. Die angeblich kapitalismuskritische Tendenz hatte mich neugierig gemacht. Und diese Tendenz gibt es in dem Text wirklich. Die entsprechenden Zitate dürften mittlerweile bekannt sein („diese Wirtschaft tötet“). Insgesamt macht die Kapitalismuskritik aber nur einen kleinen Teil des Buches aus. Der Schwerpunkt liegt ganz eindeutig bei den mit der Verkündigung des Evangeliums in der Welt von heute verbundenen Herausforderungen. Und so muss es bei einem Papst ja wohl auch sein.
Ich beschränke mich hier jetzt auf die Kapitalismuskritik. Der Papst argumentiert, ebenfalls kein Wunder, auch hier auf einer theologischen Basis. Er spricht in dem Zusammenhang sogar von der Ablehnung Gottes in der herrschenden ökonomischen Ideologie. Betont aber zugleich, dass er Reiche und Arme liebe. Die „Option für die Armen“ ist allerdings jederzeit präsent. Man merkt, wie wichtig die Theologie der Befreiung für die lateinamerikanische Kirche einmal war. Und vermutlich noch ist.
Die eindeutige Ausrichtung hat natürlich zu den üblichen Angriffen (Marxismus) in den hiesigen Breiten geführt. Aber auch darauf reagierte Franziskus erfreulich souverän: "Die Ideologie des Marxismus ist falsch", betonte Franziskus, fügte aber hinzu: "Ich habe in meinem Leben jedoch viele Marxisten getroffen, die gute Menschen waren." Letztlich würde seine Schrift schlicht der Soziallehre der Kirche entsprechen.
Mein Fazit: Kein Marxist. Aber ein wichtiger Verbündeter im Kampf gegen die Herrschaft des Kapitals.
Daneben wird sehr viel von Freude und Schönheit gesprochen. Und so soll es ja auch sein.
Ich beschränke mich hier jetzt auf die Kapitalismuskritik. Der Papst argumentiert, ebenfalls kein Wunder, auch hier auf einer theologischen Basis. Er spricht in dem Zusammenhang sogar von der Ablehnung Gottes in der herrschenden ökonomischen Ideologie. Betont aber zugleich, dass er Reiche und Arme liebe. Die „Option für die Armen“ ist allerdings jederzeit präsent. Man merkt, wie wichtig die Theologie der Befreiung für die lateinamerikanische Kirche einmal war. Und vermutlich noch ist.
Die eindeutige Ausrichtung hat natürlich zu den üblichen Angriffen (Marxismus) in den hiesigen Breiten geführt. Aber auch darauf reagierte Franziskus erfreulich souverän: "Die Ideologie des Marxismus ist falsch", betonte Franziskus, fügte aber hinzu: "Ich habe in meinem Leben jedoch viele Marxisten getroffen, die gute Menschen waren." Letztlich würde seine Schrift schlicht der Soziallehre der Kirche entsprechen.
Mein Fazit: Kein Marxist. Aber ein wichtiger Verbündeter im Kampf gegen die Herrschaft des Kapitals.
Daneben wird sehr viel von Freude und Schönheit gesprochen. Und so soll es ja auch sein.
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mark793,
Montag, 6. Januar 2014, 18:37
In meiner Klolektüre begegnete mir just heute morgen der Gedankengang:
So schrieb Joachim-Ernst Berendt im Nachwort zu "Nada Brahma - Die Welt ist Klang" (um von dieser Prämisse ausgehend die Kurve nach Japan und dessen Prägung durch des Zen-Buddhismus zu kriegen). Aber wenn wir uns vor Augen halten, dass die Urkirche auch Güter für die ganze Gemeinde vergesellschaftete und Jesus in den Vorhöfen des Tempels auch schon mal proaktive Kapitalismuskritik praktizierte, erscheinen die aktuellen Papst-Worte gar nicht mehr sooo revolutionär. Nur hat sich die Kirche halt viel zu lange den Reichen und Mächtigen angedient (und sich unter JP II auch aktiv auf Seiten des Kapitalismus gegen das vermeintliche Reich des Bösen im Ostblock engagiert)...
Was dieses Europa denkt und tut und fühlt, ist nicht denkbar, nicht verständlich ohne zweitausend Jahre Christentum. Ja, Philosophen und Soziologen haben darauf hingewiesen, dass auch der Marxismus eine christliche "Gegen-Welt" ist - nicht denkbar ohne christliche Ideale und Grundsätze, die gerade in der Idee des Marxismus ständig gegenwärtig sind - viel mehr als in der des Kapitalismus.
So schrieb Joachim-Ernst Berendt im Nachwort zu "Nada Brahma - Die Welt ist Klang" (um von dieser Prämisse ausgehend die Kurve nach Japan und dessen Prägung durch des Zen-Buddhismus zu kriegen). Aber wenn wir uns vor Augen halten, dass die Urkirche auch Güter für die ganze Gemeinde vergesellschaftete und Jesus in den Vorhöfen des Tempels auch schon mal proaktive Kapitalismuskritik praktizierte, erscheinen die aktuellen Papst-Worte gar nicht mehr sooo revolutionär. Nur hat sich die Kirche halt viel zu lange den Reichen und Mächtigen angedient (und sich unter JP II auch aktiv auf Seiten des Kapitalismus gegen das vermeintliche Reich des Bösen im Ostblock engagiert)...
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cut,
Montag, 6. Januar 2014, 23:48
Das ist sicher so. Kofler sagt es ja ähnlich:
"Was Christus und Marx am auffälligsten verbindet, das ist ihr unbedingter Humanismus, denn beide meinen und erstreben die menschliche Erlösung in ihrer totalen Bedeutung. Das unterscheidet das Christentum wie den marxistischen Humanismus von allen übrigen Strömungen und Klassen, die je eine humanistische Tendenz aufgewiesen haben; auch vom einst revolutionären Bürgertum, das sich in einem humanistischen Glanze zu repräsentieren liebte. Unter Befreiung verstand das humanistische Bürgertum bloße Befreiung kraft Erwerbs von und Verfügung über Eigentum und eng damit verknüpft kraft individueller Bildung, was letztlich auf die bloße Befreiung der Eigentümer und der Gebildeten, beide letztlich als identisch aufgefasst, hinauslief." (Leo Kofler, Jesus und die Ohnmacht, 1974)
Die Diskrepanz zwischen Armutsideal, Option für die Armen, usw. und der dominanten Realpolitik zieht sich ja durch die ganze Kirchengeschichte. So war der Stempel „Befreiungstheologe“ unter JP II sicher eher weniger förderlich für die Karriere. Raus aus der Nummer kommt man aber nicht. Dafür sind die biblischen Aussagen zu eindeutig (Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon, usw.).
"Was Christus und Marx am auffälligsten verbindet, das ist ihr unbedingter Humanismus, denn beide meinen und erstreben die menschliche Erlösung in ihrer totalen Bedeutung. Das unterscheidet das Christentum wie den marxistischen Humanismus von allen übrigen Strömungen und Klassen, die je eine humanistische Tendenz aufgewiesen haben; auch vom einst revolutionären Bürgertum, das sich in einem humanistischen Glanze zu repräsentieren liebte. Unter Befreiung verstand das humanistische Bürgertum bloße Befreiung kraft Erwerbs von und Verfügung über Eigentum und eng damit verknüpft kraft individueller Bildung, was letztlich auf die bloße Befreiung der Eigentümer und der Gebildeten, beide letztlich als identisch aufgefasst, hinauslief." (Leo Kofler, Jesus und die Ohnmacht, 1974)
Die Diskrepanz zwischen Armutsideal, Option für die Armen, usw. und der dominanten Realpolitik zieht sich ja durch die ganze Kirchengeschichte. So war der Stempel „Befreiungstheologe“ unter JP II sicher eher weniger förderlich für die Karriere. Raus aus der Nummer kommt man aber nicht. Dafür sind die biblischen Aussagen zu eindeutig (Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon, usw.).
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cut,
Dienstag, 7. Januar 2014, 00:28
Kleiner Nachtrag noch. Das Buch hier ist natürlich gemeint: Papst Franziskus, Die Freude des Evangeliums, Herder Verlag, Dezember 2013.
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rocky raccoon,
Dienstag, 7. Januar 2014, 08:49
Kapitalismuskritik
Ich weiss noch, wie ich in der Oberstufe einmal ein Referat über Adam Smith halten musste und den "Trickle-down-Effekt" zum Wohlgefallen meines SoWi-Lehrers (den ich jetzt ab und zu beim Brötchen holen treffe...) erklären konnte. Ich habe lange gebraucht, bis ich erkannt habe, dass das kompletter Quatsch ist (genau wie das ewige Mantra vom unabdingbaren "Wachstum"). Homo homini lupus: so ist das. Krugman hat´s gesagt (...warten wir seit 30 Jahren vergeblich drauf") und nun also auch der Papst. Kein "Armer" wird je vom vermehrten Wohlstand der "Reichen" profitieren. Im Gegenteil: die Schere wird immer mehr auseinander gehen. Der Papst ist mir sympathisch. Nur mit den Frauen tut er sich noch schwer. Mal schauen, was er erreichen kann und wo er dann doch wieder ausgebremst wird.
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cut,
Dienstag, 7. Januar 2014, 11:56
Homo homini lupus: so ist das
So ist das eben nicht. Das ist vielleicht der Mensch in der bürgerlichen Gesellschaft. Aber nicht der Mensch an sich. Den gibt es so nicht. Wenn es eine Konstante im Menschen gibt, dann seine Veränderlichkeit im historischen Raum. Und wir leben leider noch in der menschlichen Vorgeschichte.
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rocky raccoon,
Dienstag, 7. Januar 2014, 12:52
Na schön. Glauben wir also an die grundsätzliche Veränderungsmöglichkeit des Menschen zum Guten hin und denken dabei in etwas größeren Zeitkategorien und weg von der bürgerlichen Gesellschaft. Aber den "trickle-down-effekt" würdest Du doch auch leugnen, sonst könnte man ja gleich FDP wählen ;-((
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cut,
Dienstag, 7. Januar 2014, 13:00
"trickle-down-effekt"
Auch da bin ich ganz bei Papst Franziskus: "Diese Ansicht, die nie von den Fakten bestätigt wurde, drückt ein undifferenziertes, naives Vertrauen auf die Güte derer aus, die die wirtschaftliche Macht in Händen halten, wie auch auf die sakralisierten Mechanismen des herrschenden Wirtschaftssystems." ( Abschnit 54, S. 96, im oben erwähnten Buch)
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